Arbeiter in der Paketlogistik
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18.12.2023

Die Schattenseiten der Paketlogistik

Weihnachtszeit ist die Zeit für Geschenke – und damit herrscht in der Paketlogistik jetzt Hochsaison. Jede und jeder von uns erwartet, dass Lieferungen so schnell wie möglich ankommen. Aber wer den Preis dafür zahlt, ist uns als Konsument:innen wohl nicht immer bewusst. Es sind immer häufiger geflüchtete oder zugewanderte Arbeitnehmer:innen, die unter großem Druck stehen und oft unter extrem schlechten Bedingungen arbeiten müssen. 


In unseren Paketen steckt oft Ausbeutung

Die von der AK Wien geförderte Studie „Es ist eine Pyramide – der Druck kommt von oben nach unten. Fragmentierte Beschäftigung migrantischer Arbeitnehmer:innen in der Paketlogistik“ der Uni Wien konzentriert sich auf die oft prekären Arbeitsbedingungen und Lebenslagen von migrantischen Beschäftigten in Verteilzentren und bei der Zustellung von Paketen.

Die Ergebnisse der Studie decken sich mit den Erfahrungen aus der Beratung der AK Wien. Die überproportional hohe Anzahl von Beschäftigten des Kleintransportgewerbes, die sich 2022 an die AK wandten, zeigt deutlich: In unseren Paketen stecken oft Ausbeutung und Missstände.

Zentrale Erkenntnisse der Studie

  • Fragmentierung der Beschäftigung: Die Paketlogistikbranche zeichnet sich durch eine starke Auslagerung an Subunternehmen und den Einsatz von Leiharbeit aus. Dies führt unsicherer Beschäftigung, Aufspaltung von Belegschaften und Lücken in der Arbeitnehmer:innenvertretung.
     
  • Auswirkungen der Liberalisierung: Die schrittweise Liberalisierung des Postmarktes seit den 1990er Jahren hat zu einem enormen Preisdruck und einer starken Konkurrenz geführt, trotz technologischer Fortschritte bleibt die Branche arbeitsintensiv.
     
  • Herausforderungen in der Durchsetzung von Rechten: Trotz Arbeitskräftemangels können Beschäftigte nur eingeschränkt bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen, auch aufgrund von Lücken in der Durchsetzung von Arbeitsrechten durch die zuständigen Institutionen.
     
  • Mehrfache Prekarität: Migrantische Arbeitnehmer:innen, insbesondere aus Drittstaaten, erleben "multiple Prekarität" durch ökonomischen Druck, unsicheren Aufenthaltsstatus, fehlende Anerkennung von ausländischen Abschlüssen und mangelnde Kenntnisse über österreichisches Arbeitsrecht.
     
  • Arbeitsdruck und Erschöpfung: Der hohe Arbeits- und Zeitdruck in Verteilzentren und bei der Zustellung, verstärkt durch digitale Arbeitssteuerung und -kontrolle, führt zu gesundheitlichen Belastungen und permanenter Erschöpfung der Arbeiter:innen.

Problemfelder im Kleintransportgewerbe in der AK Beratungspraxis

Die Schilderungen der extrem schlechten Arbeitsbedingungen in der Studie decken sich mit den Erfahrungen aus der AK Beratung. Arbeitnehmer:innen aus dem Kleintransportgewerbe wandten sich am häufigsten wegen Lohnrückständen, unberechtigten Abzügen von Beträgen, unbezahlten Überstunden, nicht eingehaltenen Ruhezeiten und fehlendem Tagesgeld an die AK Wien.

Unsere Forderungen

Haftung des Erstauftraggebers für die Löhne

Ein Großteil der Paketzustellaufträge wird an Subunternehmen vergeben, die diese dann an Sub-Subunternehmen weitergeben. Dadurch entledigen sich die Erstauftraggeber ihrer Verantwortung. Es entstehen Subunternehmerketten, die einen idealen Nährboden für Sozialbetrug und Lohndumping bilden. Die Haftung des Erstauftraggebers würde diese Praxis unattraktiver machen. Die Verantwortung für korrekte Löhne läge dann wieder bei den tatsächlichen Profiteuren dieses Systems.

Haftung des Auftraggebers für die Sozialversicherungsbeiträge
Im Baubereich gibt es seit Jahren eine Haftung des Auftraggebers für Sozialversicherungsbeiträge. Die Erfahrungen sind gut. Die ÖGK kann jetzt leichter Beiträge einbringen. Die AK fordert, diese Haftung (wie in Deutschland beim Paketboten-Schutz-Gesetz) auch auf den Bereich der Paketzusteller:innen auszudehnen.

Lohn- und Sozialdumping bekämpfen
Wiedereinführung des Kumulationsprinzips 2021 wurde das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz aufgeweicht und die Strafen reduziert. Dadurch ist Lohn- und Sozialdumping für Arbeitgeber leichter und billiger geworden. Die AK fordert daher die Wiedereinführung des "Kumulationsprinzips" im Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz. Dieses sah vor, dass bei Gesetzesübertretungen wie Unterentlohnung für jede einzelne Übertretung eine Strafe entrichtet werden musste.

Mehr Kontrollen
Um Lohn- und Sozialdumping sowie Schwarzarbeit hintanzuhalten und den Schutz der Arbeitnehmer:innen sicherzustellen, muss mehr kontrolliert werden. Dafür ist eine massive personelle Aufstockung der zuständigen Behörden (insbesondere Finanzpolizei und Arbeitsinspektorat) erforderlich. 

Sanktion bei Nichtausstellung eines Dienstzettels
Der Dienstzettel ist eine wichtige Informationsquelle für Arbeitnehmer:innen. Derzeit ist es aber so, dass es keine Sanktionen gibt, wenn der Dienstzettel nicht ausgestellt wird. Das muss sich ändern. Es gibt auch eine EU-Richtlinie, die solche Sanktionen vorsieht – aber die Regierung ist bei der Umsetzung seit mehr als einem Jahr säumig.

Leichtere Nostrifikation
Gezielte Förderung von zugewanderten Personen, um die am Arbeitsmarkt erforderliche Qualifikationen zu erlangen. Dazu gehören eine raschere und leistbare Anerkennung ausländischer Qualifikationen sowie bessere Möglichkeiten, Deutsch zu lernen, um entsprechend der Qualifikation am Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können:

Leichterer Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete
Die AK fordert einen erleichterten und vom Arbeitgeber unabhängigen Arbeitsmarktzugang für geflüchtete Menschen. Wenn das Asylverfahren ein Jahr nach Antragstellung nicht abgeschlossen ist, sollen sie Zugang zum Arbeitsmarkt ohne gesonderte Arbeitsmarktprüfung erhalten.

Neue Regelungen für qualifizierte Zuwanderung
Bei den Regelungen zur „Rot-Weiß-Rot-Karte" soll genau geprüft werden, wo tatsächlich Bedarf an Arbeitskräften besteht: Eine reine Gegenüberstellung von offenen Stellen und Arbeitslosen greift zu kurz. Außerdem soll es zusätzliche Kriterien, wie die Arbeitsbedingungen und die Aus- bzw. Weiterbildungsbereitschaft der Unternehmen geben.

Aufklärung von Drittstaatsangehörigen über ihre Rechte
Zugewanderte sollten vor Dienstantritt und während des Dienstverhältnisses besser über Arbeitsrechte aufgeklärt und mit Arbeiterkammern und Gewerkschaften in Kontakt gebracht werden.


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