Dieselskandal – Auswirkungen der Abgasmanipulation bei Dieselautos
Konsument:innen und Umwelt in Österreich sind vom Dieselskandal viel stärker betroffen als bisher bekannt. Knapp 800.000 Dieselfahrzeuge wurden zurückgerufen, um unzulässige Abschalteinrichtungen zu entfernen bzw. den viel zu hohen Abgasausstoß zu senken. Das ergibt eine neue Studie im Auftrag der AK. Damit nicht genug: Weitere 800.000 könnten hinzukommen, wenn in Deutschland ein Musterurteil rechtskräftig wird, das Software-Updates und Typgenehmigungen für alle Dieselautos mit sog. „Thermofenstern“ für ungültig erklärt.
Worin besteht der Dieselskandal?
Angefangen hat der Dieselskandal mit dem Volkswagen Konzern, aufgeflogen im September 2015: Bei Diesel-Pkw mit dem EA 189-Motor funktionierte die Abgasreinigung nur am Prüfstand und wurde bei normalen Straßenbedingungen („VW-Umschaltmodus“) abgeschaltet. Laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) verstößt das gegen EU-Vorschriften und es droht den Pkw-Besitzer:innen der Entzug der Betriebsgenehmigung.
In der Folge weitete sich der Dieselskandal auf so gut wie alle Hersteller von Dieselautos, wie Mercedes, Opel, Renault, Fiat und BMW aus. Auch diese hatten Abschalteinrichtungen eingebaut. Das bedeutet, dass die Abgasreinigung nur bei zwischen 15 und 33 Grad Außentemperaturen funktioniert, innerhalb der sogenannten „Thermofenster“. Laut EuGH sind solche „Thermofenster“ unzulässig, wenn die Abgasreinigung dadurch die meiste Zeit im Jahr ausgeschaltet bleibt. Der Oberste Gerichtshof in Österreich hat sich diesem EuGH-Urteil angeschlossen.
Was ist das Software-Update von Volkswagen?
Deutsche Behörden und VW wollten durch Software-Updates doch noch eine Typengenehmigung für Diesel-Pkw mit EA -189 Motor bei der EU erreichen. Bei solchen Software-Updates wurde zwar der „Umschaltmodus“ entfernt, gleichzeitig aber ein „Thermofenster“ aufgespielt. Die Autos blieben also viel zu schmutzig. Laut Europäischem Gerichtshof ist das ebenfalls illegal. Das Problem blieb also.
Was bedeutet „EU-Betriebsgenehmigung“?
Die Zulassungs-Behörde in einem EU-Mitgliedsland erteilt einem Autohersteller die Typgenehmigung für ein Fahrzeug. Damit bekommt dieses Auto automatisch die „EU-Betriebsgenehmigung“ für die gesamte EU. Wird die Typgenehmigung entzogen, droht der Entzug der Fahrerlaubnis. Dann darf das Auto weder verkauft noch gefahren werden.
Welche Diesel-Pkw sind betroffen?
Betroffen sind hauptsächlich Diesel-Pkw mit der EU-Abgasnorm Euro 5, Euro 6a, Euro 6b und Euro 6c. Diese wurden im Zeitraum von 2010 bis 2019 als Neufahrzeuge verkauft.
Wie viele österreichische Autobesitzer:innen sind betroffen?
Knapp 800.000 Dieselautos im Bestand wurden in Österreich in irgendeiner Form wegen Abschalteinrichtungen rückgerufen. Weitere 800.000 könnten hinzukommen, wenn ein Urteil eines deutschen Verwaltungsgerichts rechtswirksam wird.
Welche Marken und Modelle entsprechen sicher nicht den EU-Vorschriften zur Typgenehmigung?
Das sind alle, die unter Mitwirkung der Behörden bisher zurückgerufen wurden, angeordnete und freiwillige Rückrufe. Die meisten von ihnen betreffen Modelle aus dem VW Konzern (VW, Audi, Seat, Skoda und Porsche) und Mercedes. In den folgenden Tabelle finden sie die einzelnen Modelle, geordnet nach den Marken. Hier geht's zur Tabelle.
Welche Marken & Modelle könnten trotz Update die EU-Vorschriften zur Typgenehmigung nicht erfüllen, wenn ein Urteil des VG rechtswirksam wird?
In den folgenden Tabelle finden sie die einzelnen Modelle, geordnet nach den Marken. Hier geht's zur Tabelle.
Welche technischen Maßnahmen sind möglich, damit ein Diesel-Pkw nachträglich abgastechnisch der EU-Typgenehmigung entspricht?
Das hängt von der eingebauten Technik ab. Bei Fahrzeugen mit der einfacheren Abgasreinigung (AGR) müssten Hersteller auf Weisung der Behörden nachträglich eine funktionstüchtige Abgasvorrichtung einbauen. Das ist nach derzeitigem Stand der Technik ein SCR-Katalysator, der ungefähr 1500 € (ohne Werkstatt) kostet. Ob das technisch bei allen Fahrzeugen machbar und sinnvoll ist, ist zu prüfen. Bei Fahrzeugen mit einer komplexeren Abgasreinigung (SCR) kann durch die richtige Dosierung von Harnstoff (die manipulativ gedrosselt worden war) eine Verbesserung erreicht werden. Als Herausforderung bleibt, die Abgasreinigung durchgehend zu optimieren, in allen Zuständen, in denen sich ein Auto befinden kann, etwa bei Kälte.
Sind Diesel-Pkw generell schmutzige Autos?
Nein. Seit 2019 sind Diesel-Pkw mit der Schadstoffnorm Euro 6d temp relativ sauber bei den Abgasemissionen und in der Lage, selbst im realen Straßenverkehr die vorgeschriebenen Grenzwerte einzuhalten bzw. sogar zu unterschreiten. Die nötige Technik ist vorhanden, es ist eine Frage der Kosten.
Wie ist die Gesundheit und Umwelt betroffen?
Beim Dieselskandal dreht sich alles um das Abgas Stickoxid (NOx), nicht um Treibhausgase wie CO2. NOx (Stickoxid) schädigt Menschen und Umwelt (Ozonbildung). Es greift die Atemwege der Menschen an, verschlimmert Asthma, Bronchitis und Allergien, vor allem bei Kindern. In Verbindung mit anderen Schadstoffen führt es zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und zu vorzeitigen Todesfällen. Laut der Europäischen Umweltagentur sind weltweit 38.000 vorzeitig Verstorbene allein auf die Mehr-Emissionen durch den Dieselskandal zurückzuführen.
Was wurde bei den Sammelverfahren erreicht?
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat mit Unterstützung von AK und Konsumentenschutzministerium für rund 10.000 betroffene eine Entschädigung VW-Käufer:innen ermöglicht. Seit 2018 sind 16 Sammelklagen an verschiedenen Gerichten anhängig. Aktuell wird in 5 Verfahren aktiv verhandelt, die restlichen 11 sind ausgesetzt. Versuche des VKI, im Hinblick auf die EuGH-Rechtsprechung mit VW einen außergerichtlichen Vergleich zu schließen, sind bisher gescheitert.
Was soll die Regierung für die Betroffenen tun?
Sie soll erstens alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, die sie hat, um Käufer:innen und Umwelt vor Schaden zu bewahren und die Hersteller zu Schadenersatz zu verpflichten. Zweitens soll sie angesichts der enormen Dimension , das auf uns zurollt nicht abwarten, sondern pro aktiv eine politische Lösung herbeiführen, unter Einbindung aller relevanten Akteure. Drittens soll sie so rasch und verbraucherfreundlich als möglich in Österreich jene EU-Richtlinie zu Verbandsklagen umsetzten und den Verbraucher:innen bei grenzüberschreitenden Massenklagen endlich bessere rechtliche Instrumente in die Hand geben.