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Hoher Arbeitsdruck, ständige Erreichbarkeit und wenig Ideen und Initiativen für soziale Nachhaltigkeit: Diese Rahmenbedingungen belasten den aktuellen Arbeitsalltag, so die Ergebnisse des Strukturwandelbarometers 2023. Wie die Ergebnisse der neuesten IFES Umfrage (befragt werden Betriebsratsvorsitzende) zu interpretieren sind, darüber informierten Silvia Hruška-Frank, Direktorin AK Wien, Willi Mernyi, Leitender Sekretär ÖGB und Eva Zeglovits, Managing Partnerin bei IFES .
Anhaltend hoher Arbeitsdruck und ständige Erreichbarkeit – diese beiden Druckpunkte kennzeichnen laut den Ergebnissen des aktuellen Strukturwandelbarometers 2023 weiterhin die Arbeitswelt. Dazu kommt, dass es in allen Branchen an Personal fehlt – das mit Abstand größte Problem. So gibt mit 85 Prozent die überwiegende Mehrheit der befragten knapp 2.000 Betriebsratsvorsitzenden an, erhebliche Schwierigkeiten bei der Suche nach Arbeitskräften in ihren Unternehmen zu sehen.
Die soziale Nachhaltigkeit und damit die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, etwa in Form von kürzeren Arbeitszeiten oder einer besseren Aus- und Weiterbildung, kommt bei den Unternehmen viel zu kurz. Sie verstehen unter einem nachhaltigen Arbeitsalltag primär die Umsetzung von Umwelt-Maßnahmen wie Recycling oder Senkung des Energieverbrauchs.
„Die Betriebe müssen ihren Nachhaltigkeits-Fokus verändern und die soziale Komponente verstärkt betrachten. Denn nur so werden sie auch bei der Personalsuche reüssieren können“, sind sich AK Wien Direktorin Silvia Hruška-Frank und Willi Mernyi, Leitender Sekretär des ÖGB, einig: „Denn die Beschäftigten wünschen sich eine Anpassung der Arbeitszeiten, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Die Betriebe müssen sich schleunigst an diese Bedürfnisse anpassen. Denn jene Unternehmen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und etwa eine Arbeitszeitverkürzung eingeführt haben, haben auch keine Probleme Personal zu finden.“
Die Umfrage Strukturwandelbarometer erfolgt jährlich und wird vom Meinungsforschungsinstitut IFES im Auftrag von Arbeiterkammer Wien und ÖGB durchgeführt. Befragt werden ausschließlich Betriebsratsvorsitzende. Am Strukturwandelbarometer 2023 nahmen insgesamt 1.969 Personen teil. Befragungszeitraum war Jänner und Februar 2023.
Während die befragten Betriebsratsvorsitzenden die wirtschaftliche Lage der Unternehmen sehr gut bewerten – sieben von zehn prognostizieren für 2023 eine sehr gute bzw. eher gute wirtschaftliche Lage – ist die Lage der Beschäftigten weiterhin sehr angespannt. Rund zwei Drittel geben bei der diesjährigen Umfrage an, dass sich der Arbeitsdruck weiter verschärft hat. Das wiederum, wirkt sich negativ auf das Arbeitsklima aus, das sich seit Jahren verschlechtert. Der Extremwert war hier im Dezember 2021 zu verzeichnen, die leichte Verbesserung kann mit der teilweisen Rückkehr der Kolleg:innen an den Arbeitsplatz und der daraus resultierenden Kommunikation erklärt werden.
Anhaltend schlecht wird die sogenannte betriebliche Notwendigkeit bewertet. In diese Kategorie fallen Überstunden und ständige Erreichbarkeit. 38 Prozent der befragten Betriebsratsvorsitzenden führen an, dass diese Praktiken sehr bzw. eher zugenommen haben.
Als derzeit größtes Problem wird die Suche nach Arbeitskräften gesehen. Immerhin sagen 85 Prozent der befragten Betriebsratsvorsitzenden, dass es in ihrem Betrieb Schwierigkeiten gibt, das benötigte Personal zu finden. Dieses Problem zieht sich durch alle Branchen, besonders schwerwiegend ist es im Lebensmittelhandel, im Transportwesen sowie im Gesundheitsbereich.
Das Problem ist aber laut Umfrage hausgemacht. Denn 60 Prozent sagen, dass Personalabgänge infolge von Pensionierungen und Kündigungen für die schwierige Personalsituation verantwortlich sind, die Arbeitgeber:innen also trotz Planbarkeit das Problem nicht erkannt haben. 35 Prozent führen eine schlechte Bezahlung an, je 23 Prozent einen hohen Arbeitsaufwand sowie schlechte Arbeitsbedingungen.
Soziale Nachhaltigkeit ist demnach für viele Betriebe noch ein Fremdwort. Das zeigt sich auch in der Umfrage. Zwar hat sich das Thema Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Themen in der Gesellschaft und damit auch in der Arbeitswelt etabliert, allerdings beschränken sich die Unternehmen dabei großteils auf die Umsetzung von Klimazielen. So rangieren Maßnahmen wie Recycling, Abfallvermeidung, Senkung des Energieverbrauchs und Energieumstellung ganz oben auf der Skala der Maßnahmen zur nachhaltigeren Gestaltung des Arbeitsalltags.
Weniger innovativ sind die Unternehmen in Bezug auf die soziale Nachhaltigkeit. Einzig die Übernahme von Lehrlingen nach erfolgter Ausbildung wird von rund der Hälfte der Unternehmen betrieben. Aber weniger als die Hälfte der untersuchten Unternehmen hat oder plant neue Arbeitszeitmodelle. Bei fast 80 Prozent ist eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit nicht vorgesehen. Knapp die Hälfte der Unternehmen setzt nicht auf Weiterbildung der Beschäftigten auf diesem Gebiet, und Management-Boni für Nachhaltigkeitsziele sind nahezu überhaupt kein Thema.
„Angesichts des herrschenden Arbeitskräftebedarfs werden die Unternehmen umdenken und an den richtigen Stellschrauben drehen müssen. Die soziale Nachhaltigkeit muss in den Fokus rücken, gesunde Arbeit darf nicht länger ein Schlagwort sein, sondern muss in die Praxis umgesetzt werden“, fordert AK Direktorin Hruška-Frank. Dennoch ist sie überzeugt, dass „jene Unternehmen, die innovativ sind und sich auf die Bedürfnisse der Beschäftigten einstellen, auch in Zukunft kein Problem haben werden, geeignetes Personal zu finden“.
Willi Mernyi, Leitender Sekretär des ÖGB, mahnt Maßnahmen ein: „Die Beschäftigten stöhnen unter dem konstant hohen Arbeitsdruck! Der ständige Stress, ein Berg an Überstunden und das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen, hinterlassen auch tiefe Spuren in der körperlichen und psychischen Gesundheit der Betroffenen. Und natürlich leidet auch das Arbeitsklima in den Betrieben darunter.
Es ist ein Gebot der Stunde, dass die Arbeitgeber die zusätzliche Arbeitsbelastung mit einer Arbeitszeitverkürzung ausgleichen müssen – das reicht von kürzeren Wochenarbeitszeiten bis hin zu einer sechsten Urlaubswoche. Nur so kommen die Menschen zu mehr Entspannung und Freizeit. Wir wissen aus vielen Beispielen, dass Mitarbeiter:innen bei kürzeren Arbeitszeiten motivierter und produktiver in der Arbeit sind – eine Win-Win Situation für beide Seiten.“
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