Schule macht (sich) stark. Schulentwicklung im Brennpunkt
Viele Schulstandorte stehen heute vor großen Herausforderungen. Auf Grund von schwierigen äußeren Bedingungen können sie oft keine guten Lernumgebungen für SchülerInnen zur Verfügung stellen. Schwache Lernergebnisse und eine hohe Zahl an SchulabbrecherInnen sind oftmals die Folge.
Wie können diese Herausforderungen effektiv und nachhaltig bewältigt werden? Wie können Schulstandorte ihre Ressourcen bestmöglich ausschöpfen? Diese und weitere Fragen wurden am 6. Juni 2018 bei der gemeinsam organisierten Veranstaltung „Schule macht (sich) stark“ von Bildung.Grenzenlos, die Armutskonferenz und Arbeiterkammer Wien diskutiert.
Fokussierte Standortentwicklung notwendig
Um mit den wachsenden Herausforderungen umzugehen und ein entsprechendes Lernumfeld für SchülerInnen an Schulstandorten zu schaffen ist eine fokussierte Standortentwicklung notwendig. Wie diese an herausfordernden Standorten gelingen kann, beschrieb Cornelia von Ilsemann (Vorstand, Die deutsche Schulakademie) in ihrem Vortrag „Schulentwicklung an herausfordernden Standorten in Deutschland am Beispiel von Bremen“. Cornelia von Ilsemann präsentierte Ergebnisse des deutschen Aktionsprogramms „Schule macht sich stark (SMS)“ zur Förderung von Schulen in kritischer Lage. Das Resümee: Durch effektive Schulentwicklung – in Form von Unterrichtsentwicklung, Schulleiter Coaching, Fachworkshops zu veränderten Leistungsbeurteilungen von SchülerInnen und Schulentwicklungsbegleitung - konnten sowohl die Basiskompetenzen in Deutsch und Mathematik verbessert als auch die Selbstständigkeit der SchülerInnen an Bremer Schulen in kritischer Lage erhöht werden.
Konkret hat sich die Zahl leistungsschwacher SchülerInnen im Projektzeitraum (5 Jahre) verringert, was nicht auf Kosten der leistungsstärkeren SchülerInnen ging. Die Leistungen dieser Schulen nach 5 Jahren entsprechen dem Bremer „PISA“ Durchschnitt. Das ist gemessen an der Ausgangslage vor dem Projektbeginn ein großer Lernerfolg. Der überproportionale Leistungsanstieg der SchülerInnen mit Migrationshintergrund im Lesen und in vor allem in Mathematik macht deutlich, dass entsprechende Aktivitäten zur Reduktion migrationsbedingter Benachteiligung führen können. Aber auch auf der Ebene der Schulen zeigt eine effektive Schulentwicklung positive Ergebnisse: Nach Projektende gab es im Unterricht sichtbar mehr Methodenvarianz und die Lernzeit wurde besser genutzt. Gleichzeitig hat sich die Verantwortungsübernahme bei SchulleiterInnen aber auch bei LehrerInnen erhöht und eine gute Teamarbeit in den Schulen entwickelt.
Kommentiert wurde der Vortrag von Erika Tiefenbacher, Schulleiterin der NMS Schopenhauerstraße. Sie legte dabei den Fokus auf Österreich und Wien und berichtete über die gegenwärtigen (sozialen) Herausforderungen an Schulen. Sie betonte die Bedeutsamkeit von guter Schulentwicklung – insbesondere der Teamentwicklung zwischen LehrerInnen in Schulen, der mehrsprachigen Elternarbeit und der Einbindung von SchülerInnen (beispielsweise bei der Entwicklung einer gemeinsamen Schulordnung). Für den Wiener Kontext und den dort ansässigen Schulen in kritischer Lage erscheinen die 3 „I“s für Erika Tiefenbacher vielversprechend: Identität (der SchülerInnen stärken), Interkulturalität (Diversität fördern) und Integration (Gemeinsamkeit der SchülerInnen). Abschließend wurde betont, dass kompensatorische Schularbeit nur in ganztägigen Schulformen funktionieren kann.
Gerechte Verteilung von finanziellen Ressourcen
Es braucht aber auch eine ausreichende Ausstattung der Standorte mit finanziellen Mitteln um diese aktive Schulentwicklung umsetzen zu können. Wie eine gerechte Verteilung von finanziellen Ressourcen aussehen kann, ist in verschiedenen Beiträgen im gerade veröffentlichten Schulheft (168/ 2018) – Bildungschancen FAIRteilen. Modelle gerechter Schulfinanzierung – genauer beschrieben. Im zweiten Teil dieser Veranstaltung wurde deshalb dieses Schulheft präsentiert und die Erkenntnisse mit einigen AutorInnen dieser Ausgabe diskutiert.
Der Beitrag von Schüchner, Schnell und Schwarzenbacher (AK Wien) im aktuellen Schulheft beschreibt ein Modell zur Bildungsfinanzierung, das sozialen Ungleichheiten entgegenwirken soll. Dieses AK "Chancen-Index-Modell" berücksichtigt Bildungshintergrund der Eltern und Alltagssprache der Schüler und würde eine Personalaufstockung von zwölf Prozent bei Volks- bzw. zehn Prozent bei Neuen Mittelschulen bzw. Zusatzkosten von 300 Mio. Euro bedeuten.
Derzeit werden Ressourcen gerade nicht nach sozialen Kriterien vergeben, konstatiert der Soziologe Lorenz Lassnig (IHS) im präsentierten "Schulheft". Klassengröße und Betreuungsrelationen zeigen im Gegenteil, dass Schulen in ländlichen Regionen und mit geringer sozialer Benachteiligung durchgehend besser ausgestattet sind als Schulen in Ballungsgebieten. Durch den Bevölkerungsrückgang im ländlichen Bereich stehen dort immer mehr finanzielle Ressourcen pro Schüler zur Verfügung, während in Städten, wo die Zahl der Schulkinder sogar tendenziell steigt, die Mittel pro Kopf immer geringer werden.
Nach dem AK-Modell würden Schulstandorte künftig anhand zweier Säulen finanziert: Einerseits durch eine Basiszuwendung auf Grundlage der Schülerzahl und der im Lehrplan definierten Aufgaben, wobei auch administrative Unterstützung und Zusatzaufgaben wie Abbau von Lernschwächen oder Verhaltensauffälligkeiten berücksichtigt werden. Andererseits sollen Schulen mit vielen sozial benachteiligten Kindern noch zusätzliches Personal bekommen.
Die Zusatzmittel sind aber an Bedingungen geknüpft: Diese sollen an einen Qualitätsentwicklungsprozess der jeweiligen Schulen gebunden werden. Diese wiederum können aber selbst entscheiden, wofür sie die Ressourcen verwenden wollen - etwa für mehr Lehrer oder mehr Sozialarbeiter.