Jugendlicher sitzt vor Computer
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17.02.2023

Weiterbildungs-Erhebung: Unternehmen sollten investieren statt jammern

Am 17.02.2023 veröffentlichte die Statistik Austria den nationalen Bericht der „sechsten Europäischen Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen (CVTS 6 – Sixth Continuing Vocational Training Survey)“, die in der gesamten EU im Jahr 2021 durchgeführt wurde. Im Rahmen des CVTS6 wurden 5.006 österreichische Unternehmen ab zehn Beschäftigen aus dem produzierenden Bereich sowie dem Dienstleistungssektor über ihre Bildungsaktivitäten im Jahr 2020 befragt.

Arbeitnehmer müssen sich Weiterbildung immer häufiger selbst zahlen 

Der Bericht zeigt, dass im Vergleich zur letzten Erhebung 2015 der Anteil der weiterbildungsaktiven Unternehmen in Österreich deutlich zurück ging (von rd. 88% auf 79%). Die Lockdowns und langen Phasen der Kurzarbeit im Jahr 2020 haben u.a. dazu beigetragen. Das zeigt sich auch im rückläufigen Anteil der Betriebe, die selbst Weiterbildungskurse anbieten, während gleichzeitig das selbstgesteuerte Lernen und das E-Learning deutlich gestiegen sind. 

Gleichzeitig ist festzuhalten, dass im Vergleich zu 2015 der Rückgang von 9 Prozentpunkten von weiterbildungsaktiven Unternehmen in Österreich deutlich größer ist aus als im EU-Durchschnitt (-3 Prozentpunkte). Parallel dazu ist nicht nur die durchschnittliche Schulungsintensität weiter gesunken (von 23h pro Teilnehmer:in in 2015 auf 19h in 2020), sondern die Gesamtkosten von Unternehmen für Weiterbildungskurse. Betrugen die Gesamtausgaben für Weiterbildungskurse im Verhältnis zu den Personalkosten im Jahr 2015 noch 1,3%, sind sie im Jahr 2020 auf 0,9% gesunken. 

Damit belegen auch die neuesten Zahlen des CVTS einen Trend, der bereits im letzten Jahr vom Institut für höhere Studien skizziert wurde. Die Entwicklung der Ausgaben für Weiterbildung zeigt eine dramatische Trendwende: Während die Unternehmen immer weniger in die Qualifikation ihrer Beschäftigten investieren, zahlen die Arbeitnehmer:innen immer mehr. Ihr Anteil liegt inzwischen an erster Stelle. 

Ilkim Erdost, AK Bereichsleiterin Bildung, kritisiert: „Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Während der Bedarf nicht zuletzt durch die Digitalisierung und den ökologischen Umbau steigt und die Weiterbildungsbereitschaft der Beschäftigten so hoch ist wie noch nie, sind Unternehmen immer weniger bereit, in die Qualifikation ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu investieren.“ 

Der internationale Vergleich des IHS zeigt zudem: Österreichs Unternehmen hinken bei Weiterbildung hinterher. Nur in Schottland ist der Finanzierungsanteil der Unternehmen an der Weiterbildung ihrer Beschäftigten noch niedriger als bei uns. 

Die am 17.02.2023 veröffentlichten Ergebnisse des CVTS 6 zeigen zwei weitere besorgniserregende Trends: Erstens, in österreichischen Betrieben fehlt es trotz der starken Veränderungen am Arbeitsmarkt (Digitalisierung, ökologischer Wandel) an einer professionalisierten Weiterbildungspolitik. Österreichweit hat nicht ganz jedes zweite Unternehmen eine für Weiterbildung verantwortliche Person oder Einheit.

Nur eines von drei Unternehmen verfügt überhaupt über Budget für Weiterbildung und nur jedes fünfte Unternehmen hat einen schriftlichen Weiterbildungsplan für ihre Mitarbeiter:innen. Zwar variieren diese Angaben stark nach Unternehmensgröße, allerdings haben sich die Prozentangaben seit 2010 kaum verändert. Erdost macht deutlich: „Der chronische Fachkräftemangel, den manche Branchen regelmäßig beklagen, ist oft hausgemacht. Ohne Bildungsplan kann auch nichts weitergehen.“ 

Hinzu kommt zweitens, dass nur etwa jedes dritte Unternehmen in Österreich regelmäßig Bedarfsanalysen durchführt, um die zukünftig benötigten Fähigkeiten und Kompetenzen der Arbeitnehmer:innen zu erheben. Dieser Wert hat sich ebenfalls in den letzten zehn Jahren kaum verändert (2010: 33,8%; 2020: 34,4%). 

Weiterlernen: So gibt es Chancen für alle 

Der massive Investitionsrückstau der Unternehmen bei der Weiterbildung von Beschäftigten rächt sich bereits. Unternehmen, die an der Weiterbildung sparen, sparen auch an der eigenen Zukunft. 

Der Arbeiterkammer ist es wichtig, dem Trend gegenzusteuern. Sie selbst macht viel, um die Weiterbildung der Arbeitnehmer:innen zu fördern – in Wien etwa mit dem 120-Euro-Bildungsgutschein, dem Digi-Bonus und dem Digi-Winner, mit dem die AK Weiterbildung im digitalen Bereich mit bis zu 5.000 Euro fördert. 

„Daran sollte sich die Wirtschaft ein Beispiel nehmen“, so Erdost. „Wer gut qualifiziertes und motiviertes Personal will, muss auch bereit sein, etwas dafür zu tun und in Aus- und Fortbildung ebenso wie in bessere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu investieren.“ 

Unsere Forderungen

  • Mehr Weiterbildungsausgaben der Unternehmen durch ein Fonds-Modell: Die Unternehmen sollen in einen Weiterbildungsfonds einzahlen. Allein 0,2 Prozent der Jahres-Bruttolohnsumme bringen 220 Millionen Euro pro Jahr. Bis zu 440.000 Arbeitnehmer:innen könnten davon profitieren. 
  • Recht der Arbeitnehmer:innen auf eine Woche Weiterbildung pro Jahr in der bezahlten Arbeitszeit. Damit würde Österreich endlich die Resolution der Internationalen Arbeitsorganisation ILO aus dem Jahr 1974 für eine bezahlte Bildungsfreistellung umsetzen – mit fast 50 Jahren Verspätung. 
  • Qualifizierungsgeld für alle. Alle Arbeitnehmer:innen über 25 Jahren sollen das Recht auf monatlich 1.500 Euro für insgesamt drei Jahre Aus- und Weiterbildung im Lauf von 15 Jahren bekommen. Bezahlt werden soll das Qualifizierungsgeld aus dem Finanzierungstopf der Bundesregierung.
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