Zukunft der Hebammen-Betreuung sichern
Hebammen üben einen der ältesten Berufe der Welt aus. Sie begleiten und beraten Frauen während der Schwangerschaft, bei der Geburt, im Wochenbett und im ersten Lebensjahr mit dem Baby. Damit Hebammen ihre Leistungen qualitätsvoll und verlässlich erbringen können, brauchen sie passende Rahmenbedingungen – und vor allem gut ausgebildete Kolleginnen.
Mitschnitt der Pressekonferenz
Die gesamte Presseunterlage zum Downloaden finden Sie hier. Die Pressekonferenz können Sie hier nachsehen:
Hebammen-Gesamtvertrag 2023
Hier wurden in Österreich erste Schritte in die richtige Richtung gesetzt. Mit Jänner 2023 ist ein neuer Hebammen-Gesamtvertrag in Kraft getreten, welcher Hebammenleistungen im niedergelassenen Bereich ausbaut.
Dennoch besteht weiterer Handlungsbedarf, um die Versorgung der Frauen in Österreich zu verbessern – denn rund die Hälfte der jungen Mütter wird trotz dieses Ausbaus nach der Geburt weiterhin keine Nachbetreuung durch eine Vertragshebamme erhalten. Obwohl sie einen kostenfreien Anspruch auf Hebammenleistungen bis zur achten Woche nach der Geburt hätten, können Frauen diesen nicht wahrnehmen, da zu wenige Hebammen und Planstellen zur Verfügung stehen.
Zu hoher Arbeitsdruck - zu wenige Kolleginnen
Auch in den Krankenhäusern leiden Hebammen unter zu hohem Arbeitsdruck - der Grund dafür: zu wenig Kolleginnen. Damit die Hebammenbetreuung modernen Standards gerecht werden kann, müssen Themen wie Ausbildung, Arbeitsbedingungen oder Versorgungssicherheit dringend in Angriff genommen werden. Aus diesem Grund hat die Arbeiterkammer Wien gemeinsam mit dem Österreichischen Hebammengremium (ÖHG) die vorliegende Hebammen-Bedarfsprognose in Auftrag gegeben. Die Studie soll als Grundlage für einen gesundheitspolitischen Diskurs dienen, um österreichische Versorgungsstandards neu zu definieren.
Unzumutbare Bedingungen für Hebammen
Renate Anderl, AK Präsidentin: „Österreich wird in Zukunft mehr Hebammen brauchen, damit gut begleitete Geburten nicht zum Luxus werden. Obwohl 98% der Frauen ihre Kinder im Spital zur Welt bringen, fehlen Maßnahmen, um die Arbeit dort attraktiver zu gestalten. Die derzeitige personelle Unterbesetzung in Kreißsälen führt zu teils unzumutbaren Bedingungen für Gebärende und Hebammen. Um die Gesundheit von Mutter und Kind zu gewährleisten, benötigen Hebammen mehr Zeit – und das bedeutet mehr Personal. Außerdem fordern wir auch für diese Berufsgruppe Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen und Entlastungsmaßnahmen, wie für die Pflegeberufe.“
Zeit für Betreuung im Wochenbett
Andrea Wadsack, Vorsitzende AK Fachausschuss Gesundheits- und Sozialbetreuungsberufe: „Die Arbeit von Hebammen endet nicht mit der Geburt: Ihr Tätigkeitsbereich umfasst auch die Pflege der Wöchnerinnen und Neugeborenen. In der Praxis bekommen sie die dafür nötige Zeit aber so gut wie nie. Die Arbeit der Hebammen findet vorwiegend im Kreißsaal statt. Die Pflege der Frauen und Säuglinge auf den Wochenbettstationen wird meist vom Pflegepersonal übernommen. Die Kompetenz von Hebammen wird also nicht so genutzt, wie es berufsrechtlich vorgesehen wäre. Mit besseren Personalschlüsseln könnten Hebammen die komplette Betreuung und Pflege der Frauen und Babys entsprechend ihrer Berufsbeschreibung übernehmen – gleichzeitig wäre das Pflegepersonal entlastet.“
Folge: Zwei-Klassen-Medizin
Schon vor der Covid-19 Pandemie berichteten Hebammen in der AK-Umfrage „Wo drückt der Schuh“ aus 2018 von fehlenden Kolleginnen, laufender Mehrarbeit, häufigem Einspringen und Sorge um die Qualität. Die Situation hat sich seither nicht verbessert. Das führt dazu, dass für viele Hebammen jene Bereiche attraktiver sind, in denen sie ihr Arbeitspensum besser kontrollieren können als in den Krankenhäusern. Private Einrichtungen und freiberufliche Praxen sind Alternativen, die aber von werdenden Eltern privat bezahlt werden müssen. Das führt schlussendlich zu einer Zwei-Klassen-Versorgung.
Möglichkeiten zur Höherqualifizierung fehlen
Moderne Medizin, bzw. medizinischer Fortschritt führt zu immer komplexeren Situationen im Gesundheitsbereich – auch in der Geburtshilfe. Um den vielfältigen Herausforderungen gerecht zu werden, fehlt es den Hebammen aber an Möglichkeiten zur Höherqualifizierung. Aktuell gibt es in Österreich nur an zwei Fachhochschulen das Angebot, evidenzbasiertes geburtshilfliches Wissen zu vertiefen und einen Abschluss in „Advanced Practice Midwifery“ zu erlangen. Hier sind mehr berufliche Perspektiven zur Verfolgung einer Fachkarriere gefragt.
Für Pflegeberufe wurden Bonuszahlungen oder eine Entlastungswoche beschlossen. Vergleichbares fehlt für andere Gesundheitsberufe, wie die Hebammen. Zudem verdienen sie auch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, eine Ausbildungsoffensive und eine entsprechende Entlohnung.
Breiter Diskurs notwendig
Eine Diskussion über die Ergebnisse der Studie zur Hebammen-Personalbedarfsprognose 2023 zeigt auf, dass nicht an einer einzelnen Schraube gedreht werden kann, um die Hebammenversorgung auch in Zukunft sicherstellen zu können.
Welche Schwierigkeiten es in den Dimensionen der Ausbildungsumstände, Arbeits- und Vertragsbedingungen sowie der Interessensvertretung gibt und wie passende Lösungsansätze aussehen könnten haben unterschiedliche Expert:innen gemeinsam in der AK Wien diskutiert.
Sehen sie hier den Videomitschnitt der Diskussionsveranstaltung und die Folien zur Präsentation der Studienergebnisse.