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Im österreichischen Schulsystem sind Halbtagsunterricht und frühe Selektion charakteristisch. Für einen guten Schulerfolg ist entscheidend, ob die Eltern über ausreichend Zeit, Bildung und Geld verfügen. Haben Eltern viel davon, kann dem eigenen Kind eine erfolgreiche Schullaufbahn ermöglicht werden, andere Kinder ohne diese Ressourcen sind leider deutlich im Nachteil.
Die COVID-Krise verschärft die bestehende Schieflage: Im Lockdown der Schulen war noch deutlich entscheidender, ob Eltern ihre Kinder beim Lernen unterstützen können oder auch ob sie über das notwendige Geld verfügen, um kurzfristig einen Laptop zu kaufen, damit ihr Kind überhaupt am Distance-Learning teilnehmen kann. Kinder, Jugendliche, ihre Eltern und die LehrerInnen dürfen gerade jetzt nicht im Stich gelassen werden. Neben kurzfristigen COVID-Maßnahmen braucht das Schulsystem schon längst ein Bündel an Maßnahmen, damit auch wirklich jedes Kind die Chance auf guten Lernerfolg hat.
„Der Bildungsminister hatte seit März mehr als neun Monate Zeit, die Schulen krisenfest zu machen“, kritisiert AK Präsidentin Anderl. „Kinder und Jugendliche und ihre Familien brauchen Entlastung und die Sicherheit, dass das verbleibende Schuljahr für sie deutlich besser vorbereitet wird. Das haben sie sich nach diesem Jahr wirklich verdient. Dazu mussten viele Familien während der Schulschließungen im März und im Herbst tief in die Tasche greifen, um die eigene Wohnung zum Klassenzimmer zu machen. Für sie muss es dringend Entlastung geben.“
Insgesamt waren die Schulen österreichweit 10 Wochen im Lockdown, weitere 7 Wochen im Schichtbetrieb, Lernen fand daher überwiegend Zuhause statt. BerufsschülerInnen und SchülerInnen der BMHS und AHS Oberstufe waren und sind besonders gefordert: Sie sind bis zum heutigen Tag bereits 16 Wochen im Distance-Learning und haben Aussicht auf einen Schulalltag mit KlassenfreundInnen oder auf Lernen im Präsenzunterricht. Viele Familien mussten auch Quarantänezeiten bewältigen, das hat das Distance-Learning um weitere Wochen verlängert.
In diesen vielen Wochen wichen KlassenfreundInnen den Geschwistern und Eltern, der Schultisch und die gewohnte Lernumgebung dem Esstisch – mitunter in beengten Wohnungen. Die Herausforderung, Lernen Zuhause zu organisieren, war im Frühjahr wie Herbst sehr groß, wenn auch der Herbst von Seiten der Schulen besser organisiert wurde.
Durch die Betreuungsunsicherheit während der Pandemie hat die Belastung der Eltern sehr stark zugenommen. Mehr als jeder zweite Elternteil gibt an, durch die Betreuungsunsicherheit gestresst zu sein.
Die psychische Gesundheit fast jedes dritten Kindes hat sich während der Corona-Pandemie verschlechtert, unabhängig von den familiären Ressourcen. Kinder und Jugendliche sind gereizter und einsamer. Die emotionale Voraussetzung zum Lernen hat sich damit ebenfalls verschlechtert.
AK Präsidentin Renate Anderl warnt eindringlich: „Ein weiterer Schul-Lockdown wäre für SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern eine Katastrophe. Viele der Belastungen, denen Schulen und Familien jetzt ausgesetzt waren und teilweise immer noch sind, wären durch gute Planung vermeidbar gewesen.“ SchülerInnen, ihre Eltern und auch LehrerInnen brauchen jetzt volle Unterstützung, damit kein Kind zurückgelassen wird und Bildungsrückstände schnellstmöglich aufgeholt werden können. Die Zeit der Unsicherheit muss nun endgültig vorbei sein.
Priorität 1: Recht auf Bildungschancen!
In diesem Schuljahr sollen Fördermaßnahmen flexibel von Schulen organisiert werden können und finanzielle Mittel dafür vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Schulen muss zugesprochen werden, dass sie autonom Fördermaßnahmen organisieren können, um entstandene Bildungslücken zu schließen.
Mittelfristig braucht es die Umsetzung des Chancenindex, um Schulen mit vielen Kindern, deren Eltern ihnen nicht beim Lernen helfen können, besser auszustatten. Die Bundesregierung muss ihr geplantes Pilotprogramm zum Chancenindex sofort umsetzen und deutlich aufstocken. Die Arbeiterkammer fordert die Ausweitung des Pilotprogramms von derzeit geplanten 100 auf mindestens 500 Schulen. Zusätzlich sollen für SchülerInnen der Sekundarstufe 2 regelmäßige Präsenzphasen in Kleingruppen organisiert werden.
Priorität 2: Recht auf Sicherheit!
LehrerInnen und SchülerInnen müssen umgehend für die Wiederöffnung der Schulen bzw. die Wiederaufnahme des normalen Unterrichts ausgestattet werden, damit Lernen ab Jänner sicher organisiert werden kann. Es braucht Konzepte und -ausrüstung für Schulen, damit sicherer Unterricht im restlichen Schuljahr garantiert ist.
Priorität 3: Recht auf andere Kinder!
In der COVID-Krise muss es für Kinder und Jugendliche besondere Regeln geben, die sie einhalten können und die nicht auf Kosten ihrer psychisch-emotionalen Gesundheit gehen. Schulen sind keine Verwahrungs- und Betreuungsstätten, sondern ein wichtiger Schlüssel für die kindliche Entwicklung.
Die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen hat sich während der Corona-Krise drastisch verschlechtert. Schule kann jetzt nicht einfach so weiterarbeiten wie zuvor. Denn schon vor der Krise hat vieles nicht funktioniert, und die Ausstattung der Schulen war vielerorts mangelhaft.
Jede Schule braucht ein multiprofessionelles Team, um auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen eingehen zu können. Gerade jetzt, nach den Schul-Lockdowns, muss es an jeder Schule zusätzliches Unterstützungspersonal etwa SchulsozialarbeiterInnen und SchulpsychologInnen geben, um die Krisenauswirkungen zu verarbeiten und die psychische Gesundheit der SchülerInnen zu stabilisieren.
„Die Corona-Krise ist noch nicht ausgestanden. Umso wichtiger ist es, dass Schulen nun endlich krisenfit werden“, so Anderl abschließend.
Nicht nur Unternehmen spüren die finanziellen Auswirkungen der COVID-Krise, Familien spüren die Auswirkungen genauso. Viele Eltern sind in Kurzarbeit oder arbeitslos, selbstständigen Eltern fehlen mitunter die Aufträge. Die finanzielle Situation der Familien hat sich bei jeder dritten Familie in diesem Jahr verschlechtert.
Gleichzeitig mussten Eltern durch das Homeschooling ihrer Kinder zusätzlich tief in die Tasche greifen. Durchschnittlich gaben Familien 307 Euro aus, um Homeschooling möglich zu machen. Dabei hatte natürlich nicht jede Familie Mehrausgaben –zwei Drittel (67%) aller Eltern hatten zumindest zu einem Zeitpunkt Mehrausgaben, davon 18% sowohl im 1. als auch im 2.Lockdown: Familien mit Mehrausgaben haben im ersten Lockdown durchschnittlich 410 Euro ausgegeben, im zweiten Lockdown durchschnittlich 281 Euro. Familien mit älteren SchülerInnen hatten höhere Ausgaben als Familien mit jüngeren Kindern.
Familien haben in diesem Jahr mehr als 200 Millionen Euro (211.154.600 Euro) bezahlt, um Distance-Learning im Rahmen der Pandemie zu ermöglichen. Entlastung für die hohe emotionale Belastung und die Lernverluste kann es nur zukünftig geben, aber zumindest mit den finanziellen Belastungen dürfen Familien jetzt nicht alleine gelassen werden.
Für Familien:
Durch Schulschließungen im Frühjahr und Herbst kam und kommt es zu finanziellen Mehrbelastungen. Familien mussten von heute auf morgen Laptops und Drucker kaufen und ihre Internetverbindung aufstocken. Die AK verlangt daher Entlastung:
Auch LehrerInnen hatten teilweise hohe Mehrausgaben, um den Fernunterricht für ihre Klassen zu gewährleisten. Sie haben dabei nicht nur großes Engagement gezeigt, sondern mussten sich ebenfalls teilweise technische Ausrüstungen (PC, Drucker, Headset etc.) zulegen, um den Unterricht abhalten zu können - auf eigene Kosten. Deshalb fordert die Arbeiterkammer:
Die Corona-Krise zeigt die grundlegenden Probleme der österreichischen Schule mit übergroßer Deutlichkeit: Österreichs Schulen sind weder für die Corona-Krise noch für andere Herausforderungen gerüstet. Für das restliche Schuljahr muss daher dringend die Debatte um offene oder geschlossene Schulen beendet werden. Der Lernort Schule muss so organisiert werden, dass intensives Lernen sicher stattfinden werden kann.
Es braucht ein COVID-taugliches Regelwerk für das gesamte verbleibende Schuljahr, das je nach Infektionsgeschehen in Szenarien plant und auch Raum für schulautonome Gestaltungen lässt. Pflichtschulen wie höhere Schulen brauchen dafür finanzielle Planungssicherheit vom Bund, damit sie mittels Sonderverträge weiteres Personal zur Unterstützung an den Schulstandort holen können. Und Familien mit Schulkindern brauchen einen finanziellen Ausgleich, damit die Corona-Krise und die Schulschließungen kein finanzielles Loch im Geldbörserl der Familien hinterlassen.
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